Warum ich lernen möchte loszulassen
Seit elf Jahren stehen wir für das Jugendamt und die Kinderklinik vor Ort, als Notfamilie bereit. Eine schöne Aufgabe. Ich liebe es, ein neues Kind kennenzulernen und ihm beim Entdecken des Lebens zuzuschauen und es darin zu begleiten. Die Hilflosigkeit eines neugeboren Kindes rührt mich immer wieder zutiefst. Schon nach wenigen Tagen, wird aus einem fremden Säugling ein eigenes Kind. Von heute auf morgen ist mein Alltag auf dieses kleine Menschlein ausgerichtet. Im Normalfall verlassen uns die Kleinen nach drei bis vier Monaten, um in ein zu Hause zu ziehen, in dem sie bleiben können. Dieses Mal war es anders. Dieses kleine Mädchen war für mehr als zwei Jahre Teil unseres Lebens gewesen. Mehr als einmal stellte ich mir die Frage, ob sie nicht für immer bei uns bleiben könnte. Nach einer intensiven Zeit des Ringens und Betens, kamen mein Mann Serge und ich zur gleichen Entscheidung: Wir würden sie, wie von Anfang an geplant, weiterziehen lassen, auch wenn wir uns ein Leben ohne sie kaum vorstellen konnten. Vor wenigen Wochen war es dann soweit. Das Ehepaar, das bereit war, sie zu sich zu nehmen, übertraf unsere Hoffnungen und je mehr wir sie kennenlernten, desto größer wurde unsere Dankbarkeit. In diese liebevollen Hände konnten wir unsere kleine Pflegetochter weiterreichen. Sie hat Spuren in unserem Leben hinterlassen. Wenn ich durch die Fotos auf meinem Handy klicke, kommen mir oft die Tränen. Ich vermisse sie. Allerdings zaubern mir die Erinnerungen an gemeinsame Momente auch immer ein Lächeln ins Gesicht. Während des Entscheidungsprozesses fragte mich Gott wiederholt: „Vertraust du mir?” Es fiel mir schwerer, als ich dachte, diese Frage zu beantworten. Aber einmal mehr verstehe ich: Wann immer Gott uns auffordert, Liebgewonnenes loszulassen, dann möchte er, dass wir die Hände frei haben für ein neues Geschenk. Für mich ist das zuerst einmal Zeit. Zeit für die vielen liegengebliebenen Dinge. Zeit, kreativ zu sein. Zeit zu lesen und zu schreiben, Zeit zu Kräften zu kommen. In diesem Jahr haben wir vieles loslassen müssen. Und noch immer ist kein Ende in Sicht. Ich will lernen, im Jetzt zu leben, dankbar für die Menschen, die mich begleiten. Ich möchte lernen leichter loszulassen und Gutes zu erwarten, weil Gott, der diese Welt hält, gut ist. Ich lade dich ein, ihm auch deine Nöte und Ängste anzuvertrauen. Die Geschichten in diesem Magazin sollen dich dazu ermutigen. Gesegnete Adventszeit = )